Zwischen Gedenken und Anklage

Gastkolumne Hanauer Anzeiger

Aufgrund einer Terminüberschneidung war ich bei den Gedenkveranstaltungen zum 19. Februar nicht anwesend. Überrascht haben mich viele Rückmeldungen, Videoausschnitte und Kommentare. Die Veranstaltung musste sich wie eine kollektive Anklage von Staat und Behörden angehört haben. Dass die Angehörigen der Opfer und die sie begleitenden Organisationen diesen Tag nutzten, um mit allem abzurechnen, was nach ihrer Auffassung nicht ausreichend, falsch oder gar nicht geschehen ist, wirft einen Schatten auf das Gedenken. Die Erinnerung an die furchtbare Tat, die uns Mahnung und Auftrag zugleich sein muss, darf auf keinen Fall in Hass gegenüber dem Staat und der deutschen Bevölkerung sowie pauschalen Rassismusvorwürfen übergehen.


Der Landtag beschäftigt sich seit vielen Monaten in einem Untersuchungsausschuss mit dem Geschehen in der Tatnacht, davor und danach. Und selbst wenn im Rückblick die ein oder andere Situation, besonders im persönlichen Umgang mit den Angehörigen, in dieser außergewöhnlichen Nacht, hätte verbessert werden können, so bleibt auch festzuhalten, dass weder die Polizei, auch nicht eine verbesserte Technik oder die Personalstärke der Rettungskräfte in dieser Nacht die schreckliche Tat verhindert hätten. Und deshalb ist der Ruf nach Verantwortung, nach einer politischen oder persönlichen Konsequenz völlig unangemessen. Denn niemand hat sich eines Versäumnisses schuldig gemacht. Ich kann verstehen, dass für die Angehörigen viele Fragen offen sind. Fragen, auf die es keine Antworten mehr geben wird. Mehr als in allen anderen mir bekannten Attentatsfällen haben Überprüfungen, Aufklärung, materielle und auch finanzielle Hilfen in großem Umfang stattgefunden. All das kann das Leid der Angehörigen nur lindern und den Verlust nicht ersetzen. Das verstehe ich. Die Angehörigen müssen aber auch verstehen, dass die kollektive Anklage von Staat und Bürgern aufhören muss, weil niemand von uns verantwortlich für die grausame Tat des Einzeltäters war. Die Stadt wird auch künftig gedenken – in der ihr angemessen Art und Weise. Ein Mahnmal dazu am neuen Demokratiezentrum ist der richtige Ort. Die Forderung der Angehörigen, es müsse ausschließlich am Marktplatz stehen, treibt hingegen einen Keil in die Gesellschaft. Es ist jetzt an der Zeit, Wunden heilen zu lassen.