Wer für Demokratie eintritt, muss Differenzierung aushalten

„Bei aller Wichtigkeit für gemeinsame Zeichen gegen jeglichen Extremismus von links wie rechts, gegen Rassismus und Gewalt dürfen wir keine linksmotivierte Spaltung der Gesellschaft zulassen“ – ein Satz als Kommentar auf ein Interview unserer früheren Familienministerin, Kristina Schröder, löst eine breite und ich unterstelle, bewusst gesteuerte Diskussion in eine Richtung aus. Dabei verfolge ich mit Sorge die Leichtfertigkeit im Umgang mit Anschuldigungen und ebenso das Hinwegsehen über offensichtliche Unterwanderungen gut gemeinter Ideen.

Ich teile die im Interview von Frau Schröder genannten Gründe, warum sie nicht auf Demosgegen Rechts geht – ich im Übrigen auch nicht. „Demo gegen Rechts“ ist keine sprachliche Faulheit, sondern von vielen Veranstaltern auch genauso gemeint: Nämlich ein Kampf gegen alles rechts der Mitte. Bei einer Veranstaltung „Hanau gegen Rechts“ ruft eine Organisation zur Demonstration auf, die im hessischen Verfassungsschutzbericht 2021 als linksextremistische Organisation aufgeführt wird. Damit will ich nichts zu tun haben und mich auch nicht mit ihnen in eine Reihe stellen. Ich bin sicher, die vielen Menschen auch nicht, die aus Überzeugung für unsere Demokratie und unsere Werte auf die Straße gehen und nicht selten überrascht sind, welche Parolen aus den Lautsprechern ertönen. Gerade deshalb und weil es um das wertvolle Gut der Demokratie geht, muss diese Differenzierung „Gegen Rechts“ und „Gegen Rechtsextremismus“ von jedem Verantwortlichen in Politik, Zivilgesellschaft und auch den Medien sehr ernst genommen werden.

Beispiele dafür gibt es reichlich, prominent etwa die Aussagen von Lisa Pöttinger, der Versammlungsleiterin der Münchner Großkundgebung. Sie schrieb auf „X“: Als Versammlungsleiterin kann ich sagen, dass ich gar keinen Bock auf Rechte jeglicher Couleur habe!“ – besser kann man nicht ausdrücken, dass der „Kampf gegen rechts“ auch ein Kampf gegen das bürgerlich-konservative Parteienspektrum ist. Ich verorte mich im politischen Koordinatensystem bürgerlich-rechts, weshalb diese Haltung und Motivation für mich inakzeptabel ist und ich mich nicht vor diesen Karren spannen lasse.

Um es noch einmal deutlich zu sagen: Die demokratische Mitte unserer Gesellschaft muss darin bestärkt werden, sich gegen jede Form von Radikalismus von links wie rechts, gegen Rassismus, Gewalt und Antisemitismus oder gegen linken wie rechten Extremismus zur Wehr zu setzen. Und es ist richtig, wenn wir dafür und gegen die in weiten Teilen rechtsextreme AfD auf die Straße gehen. Aber es ist unredlich, rechts und rechtsradikal gleichzusetzen. Darauf hatte schon Altbundespräsident Joachim Gauck hingewiesen: Wir müssen zwischen rechts -im Sinne von konservativ- und rechtsextremistisch oder rechtsradikal unterscheiden“. Und genau aus die-sem Grund stört es mich, dass viele Demonstrationen -nicht alle- unter dem Motto „Gegen Rechts“ und nicht etwa „Gegen Rechtsextremismus“, „Gegen Rassismus“ oder unter dem Motto „AfD stoppen“ ablaufen.

Wir haben im Koalitionsausschuss von CDU und SPD im Main-Kinzig-Kreis vorvergangener Woche genau und exakt über diesen Punkt und die Wichtigkeit der Formulierung gesprochen und waren ohne Widerspruch einig darin, gemeinsam über den Kreisausschuss zur Unterstützung der Demonstrationen eine Resolution in den Kreistag einzubringen, die sich gegen Extremismus, gegen Rassismus und gegen die Verfassungsfeinde richtet – und ausdrücklich nicht „Gegen rechts“ genannt wird. Überrascht bin ich daher von den Äußerungen des Landrats, der mir unterstellt, mit jenem einen Satz, die Sprache der extremen Rechten zu übernehmen, es als hochgefährlich und auf dem Holzweg bezeichnet. Aber offenbar sind dem Landrat Thorsten Stolz eine auffällige Überschrift in der Tagespresse und der Applaus aus einer Ecke wichtiger als die dringend notwendige Gemeinsamkeit der Demokraten und eine intellektuelle Auseinandersetzung darüber, wie wir den Zulauf der AfD stoppen können.

Das wird nur gelingen, wenn wir Themen aufgreifen, die die Menschen umtreiben. So zum Beispiel die verfehlte Energiepolitik, die Millionen von Bürgerinnen und Bürgern hohe Kosten beschert, die Bevormundung in vielen Themen des täglichen Lebens, die Verirrungen des Selbstbe-stimmungsgesetzes oder auch die unkontrollierte Migration. Diesen Diskussionen dürfen wir nicht ausweichen aus Angst, dafür in geistige Nähe zur AfD gestellt zu werden. Wir dürfen diese Themen nicht der in Teilen rechtsextremen AfD überlassen, wenn wir Wähler und Vertrauen zurück-gewinnen wollen. Das haben die Nachwahlen in Berlin zum Bundestag am vergangenen Wochenende gezeigt. Trotz der massenhaften Demonstrationen verzeichnete die AfD starke Zugewinne und kletterte von 7,0 auf 12,6 % in den Nachwahlbezirken und ist die einzige Partei, die trotz deutlich gesunkener Wahlbeteiligung absolut an Stimmen zugelegt hat. Es ist also höchste Zeit, um aufzuwachen und die AfD mit Inhalten statt mit Polemik zu stellen.