Gefährliche Rolle rückwärts

Kolumne März

Vor uns steht ein spannendes Wahljahr. Und es scheint so, als habe die SPD mit ihrem Kanzlerkandidaten die Partei zum Leben erweckt. In einer Zeit, in der sich die großen Volksparteien immer mehr auf die Mitte konzentriert haben, ist an den Rändern viel Platz entstanden. Es wundert nicht, dass in vielen europäischen Ländern diese Plätze von rechts oder links eingenommen wurden. Schon deshalb ist es gut, dass der politische Wettbewerb zurückkehrt. Politik ist eben Streit um Meinungen, Positionen und auch Personen.

Der SPD-Kanzlerkandidat hat nun angekündigt, Schröders Reformen um die Agenda 2010 rückabwickeln zu wollen. Ein gefährlicher Weg. Wer Deutschland regieren will, muss sich der Zukunft zuwenden und nicht in die Vergangenheit zurückkehren wollen. Die Agenda 2010 war der Grundstock für eine erfolgreiche Entwicklung Deutschlands. Vom kranken Mann Europas – damals waren über 5 Millionen Menschen ohne Arbeit – wurde Deutschland zur Lokomotive und zu einer wirtschaftlichen Kraftzentrale. Die Arbeitslosigkeit ist auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung, in 2016 hatten wir das höchste Wachstum der letzten fünf Jahre, und auch die Rentensteigerung war so hoch wie seit 25 Jahren nicht mehr.

Und doch will Schulz zurück in die Zeit vor der Agenda 2010. Wirklich? Der Erfolg der Agenda 2010 liegt in der schnelleren Vermittlung von Arbeitslosen und der Kürzung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld. Viele Studien beweisen, dass längere Zahlungen längere Arbeitslosigkeit bedeutet. Und gerade im Main-Kinzig-Kreis müsste ein Aufschrei durch die SPD gehen. Gilt doch der Kreis als Vorzeige-Modell der Arbeitsvermittlung durch die AQA GmbH. Das will Schulz zurückdrehen. Seine Botschaft ist unmissverständlich: Wenn er Kanzler wird, gibt es mehr Geld vom Staat. Das ist ein gefährliches Manöver. Es könnte sogar wieder Vorstellungen wecken, man könne sich mit dem Sicherheitsnetz aufeinanderfolgender staatlicher Leistungen wieder früher vom Arbeitsmarkt zurückziehen. In Zeiten des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels ein kritischer Denkansatz.

Auch seine Forderung zur Beschneidung befristeter Arbeitsverträge geht an der Realität vorbei. Die Arbeitswelt hat sich verändert. Menschen und Arbeitsplätze sind mobiler geworden. Das fordert Flexibilität von allen Seiten, wenn man am Markt bestehen will. Man kann das beklagen, aber zurückdrehen sicher nicht.

Schulz spricht von Gefühlen und begründet seine Vorschläge mit einer steigenden Angst der Menschen, die er ausgemacht hat. Es gibt im Jahr 2017 bestimmt viele Ansätze für notwendige Veränderungen. Aber nicht zurück in jene Zeit, als die Sozialdemokraten noch geglaubt haben, die Wirtschaft wachse automatisch. Menschen durch Arbeit abzusichern und die deutsche Wirtschaft voranzubringen, muss das Ziel bleiben, keine Verbesserung staatlicher Alimentation. Investitionen in Bildung und Wissenschaft – in die Köpfe unserer Gesellschaft – bedeutet eine in die Zukunft gerichtete Fortschreibung der Agenda. Deutschland braucht den Blick nach vorne, nicht zurück.